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Verfahren zur Verkehrswertermittlung – Teil 1: Das Vergleichswertverfahren
Im ersten Teil unserer Reihe widmen wir uns dem Verfahren, das besonders einfach und realistisch ist: dem Vergleichswertverfahren. Es orientiert sich an tatsächlich am Markt erzielten Preisen für Grundstücke und Gebäude in der unmittelbaren Vergangenheit. Es ist daher präzise, realitätsnah und in der Folge leicht nachzuvollziehen, vor allem wenn der Vergleichswert direkt ermittelt werden kann.Direkt heißt, dass der Preis eines weitgehend gleichen Objektes bekannt ist. Der Idealfall: In einer Reihenhaussiedlung jüngeren Baujahrs ist ein Reihenmittelhaus für 450.000 Euro verkauft worden. Tags drauf entschließt sich der Nachbar nebenan, sein baugleiches Haus ebenfalls anzubieten. Es braucht nicht sehr viel Phantasie, um zum Schluss zu kommen, dass er einen ähnlichen Verkaufspreis anstreben sollte, weil der Preis auch seinen Immobilienwert gut wiedergibt.
Das direkte Vergleichswertverfahren braucht gleiche Häusertypen
Denn die beiden Objekte sind in fast jedem Kriterium gleich oder zumindest sehr ähnlich. Und was eignet sich besser zur Wertbestimmung als ein tatsächlich auf dem Markt zustande gekommener Preis? Theoretisch ist es immer am besten, den Wert auf Basis der Vergleichswerte zu berechnen. Vor allem für unbebaute Grundstücke, Eigentumswohnungen und private Wohnhäuser (Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften und Reihenhäuser) ist es das bevorzugte Verfahren und oft die erste Wahl des Immobiliengutachters.
Theoretisch. In der Praxis stellt sich das Verfahren mitunter sehr anspruchsvoll dar. Denn der geschilderte Idealfall ist eher selten anzutreffen. Das hat im wesentlichen zwei Gründe:
- Gebäude sind in der Regel unterschiedlich. Schon das Haus gegenüber, selbst wenn es baugleich ist, empfängt zum Beispiel die Sonne von der anderen Seite, was bereits Auswirkungen auf den Preis haben kann. Noch größer wird der Unterschied bei Mittel- versus Eckhäusern, bei unterschiedlichen Aus- und Umbaumaßnahmen, Modernisierungen, anderen Wohnstandards. Und wenn man die Lage wechselt, wird die Vergleichbarkeit noch viel schwerer: schon wenige Straßen weiter sind Infrastruktur, Image, Verkehrsanbindung mitunter ganz anders.
- Die Vergleichbarkeit kann aber auch schlicht dadurch nicht gegeben sein, dass in der gesamten Nachbarschaft in der letzten Zeit kein Objekt verkauft worden ist. So etwas ist in Köln nicht unbedingt selten: einerseits gibt es Stadtteile mit ausgeprägtem Siedlungsbestand, in denen nur wenige Häuser überhaupt im Privateigentum sind. Andererseits werden in manchen Gegenden Häuser praktisch nie auf dem Markt angeboten, sondern entweder vererbt oder innerhalb von privaten Netzwerken veräußert.
Einfach liegen die Dinge dagegen zum Beispiel in großen, geschlossen errichteten Wohnanlagen mit gleich oder ähnlich geschnittenen Eigentumswohnungen. Hier gibt es fast immer Vergleichsmaßstäbe und auch eine relevante Anzahl von Verkäufen in der jüngeren Vergangenheit. Auch in Reihenhaus- oder Bungalowsiedlungen kann man oft schnell zu aussagekräftigen Daten kommen. Überall, wo es eine große Anzahl gleicher Häusertypen gibt, liegen die Chancen besser.
Das indirekte Vergleichswertverfahren bewertet Unterschiede
Sind Verkaufspreise zu identischen Objekten nicht zu bekommen, dann wird möglichst auf Analogien zurückgegriffen. Dies ist das so genannte indirekte Vergleichswertverfahren. Konkret bedeutet das: Der Gutachter betrachtet ähnliche Immobilien in naher Lage und vergleicht sie mit dem zu bewertenden Objekt. Gerade wenn die Abweichungen nicht groß sind, kommt er auf durchaus verlässliche Zahlen. Er kann sich bei der Wertermittlung zum einen auf Daten der Gutachterausschüsse stützen:
- Die Kaufpreissammlungen stellen alle Preise aus notariell beurkundeten Verkäufen zusammen. Je mehr Häuser und Wohnungen in der jüngeren Vergangenheit verkauft wurden, desto sicherer sind die Annahmen, die sich auf dieser Basis treffen lassen.
- Die Bodenrichtwertkarte stützt sich auf die Kaufpreissammlungen, gibt Aufschluss über Verkäufe auf Basis der Lage und wird ebenfalls vom Gutachterausschuss gepflegt.
Darüber hinaus erheben Gutachter zum anderen auch selbst Daten, werten Marktberichte aus, schließen von aktuellen Angebotspreisen auf mögliche Verkaufspreise, greifen auf kommerzielle Datenbanken zu oder nutzen ihre Verbindungen zu Maklern, die Bieterverfahren anwenden. Viele Makler sind selbst kompetente Immobiliensachverständige und haben ihre Daten aus erster Hand.
Zu- und Abschläge für Merkmale zu Lage, Gebäude und rechtlicher Situation
Das Ergebnis ist ein Grundwert, der viele Informationen beinhaltet und möglichst vom Sachverständigen aufgrund seiner Erfahrung und seines Sachverstandes gut begründet ist. Um nun das betreffende Objekt zu bewerten, berechnet er in der Folge Zu- und Abschläge. Diese richten sich nach sachlichen Kriterien, in denen die Immobilien preiswirksame Unterschiede aufweisen. Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
- Lageparameter – genaue Lage, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und Ausrichtung des Grundstücks, Umwelteinflüsse, Altlasten
- Gebäudeparameter – Größe, Bauweise und Art des Gebäudes, Baujahr, Zustand, errechnete Restnutzungsdauer, Ausstattung und Ausrüstung
- Rechtliche Parameter – Nutzungsrechte und Rechte Dritter, Vermietungen und Verpachtungen, Lasten und Auflagen
Damit Immobilien überhaupt miteinander vergleichbar sind, dürfen die Ab- und Zuschläge 30 bis 35 Prozent nicht überschreiten, so legen es einschlägige Gerichtsurteile fest. Jenseits dieses Wertes ist eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben.
Diese Tatsache kann das Vergleichswertverfahren sehr schnell an seine Grenzen führen, denn preisrelevante Unterschiede gibt es viele – und sie addieren sich schnell auf. Allein der Unterschied zwischen einer vermieteten und einer leerstehenden Wohnung kann 20 Prozent im Verkaufspreis ausmachen. Schließlich suchen viele eine Wohnung zur eigenen Nutzung; bestehende Mieter per Eigenbedarfsklage zur Räumung zu bringen, ist langwierig, kompliziert und bereitet vielen auch emotionale Probleme.
Achtung: Abweichungen gleichen sich nicht aus!
Zuschläge gibt es häufig für kleinere Grundstücke oder Wohnungen, modernere Ausstattung, gehobene Lagen. Eigentumswohnungen im Erdgeschoss werden dagegen oft niedriger bewertet als solche in den oberen Etagen. Für Wegerechte der Nachbarn gibt es Abzüge, für Baumängel selbstverständlich auch. Das Baujahr ist oft weniger eindeutig: zwar sind Neubauten ab etwa 1990 besonders begehrt, aber ein Haus in solider Backsteinausführung von 1900 ist mitunter mehr wert als ein gleich großes von 1950 mit schlechter Isolierung, schlichtem Ambiente und möglicherweise Schadstoffbelastung.
Zu beachten ist, dass sich Zu- und Abschläge immer weiter aufaddieren und nicht gegenseitig neutralisieren. Wenn also eine Immobilie gegenüber einem Vergleichsobjekt 15 Prozent Zuschlag für den baulichen Zustand erhält, dazu noch 10 Prozent Zuschlag für die Grundstücksgröße, aber wiederum 20 Prozent Abschlag für die ungünstigere Lage, dann beträgt die Gesamtabweichung nicht 15 + 10 – 20 = 5 Prozent, sondern es werden alle Unsicherheiten aufaddiert. So erreicht man statt vernachlässigbarer 5 Prozent stolze 45 Prozent Abweichung und damit ist das Vergleichswertverfahren nicht mehr aussagekräftig.
Nicht geeignet für das Vergleichswertverfahren sind aus den gleichen Gründen auch Häuser, die so speziell gebaut sind oder so exotische Merkmale haben, dass man sie schlicht nicht sinnvoll vergleichen kann. In manchen Villen findet man Schwimmbäder im Keller oder begehbare Kühlschränke, Privatbibliotheken oder Edelholzvertäfelungen. Auch Immobilien mit Gewerbeanteil eignen sich normalerweise nicht.
Achten Sie auf die Kompetenz des Sachverständigen
Selbst wenn die Vergleichbarkeit gegeben ist: Die genaue Bewertung ist keine Frage von Standard-Prozentzahlen, sondern muss sich nach der tatsächlich vorgefundenen Situation richten. Dies erfordert mitunter eine sehr hohe Kompetenz des Immobilien-Sachverständigen. Vorsicht also bei der Auswahl Ihres Dienstleisters: Ihr Sachverständiger sollte gute Referenzen mitbringen und Ihnen sein Vorgehen genau erklären können. Wenn er nicht von sich aus vorschlägt, Ihre Immobilie genau zu untersuchen, sollten Sie äußerste Vorsicht walten lassen.
Grundsätzlich ist das Vergleichswertverfahren aber eine zuverlässige, realistische und für private Immobilien zur Eigennutzung meist auch die beste Lösung, denn Eigenheime lässt sich normalerweise gut vergleichen. In manchen Fällen bietet es sich an, ein weiteres Verfahren parallel anzuwenden, zum Beispiel das Sachwertverfahren oder das Ertragswertverfahren. Dazu in Kürze mehr.
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